Quintussenz Idiom

Aus Nirgendmeer
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Präambel

Mein eigenes Studium der Magie begann mit den Worten der Macht, damals noch im Zelt einer selbsterklärten Hellseherin, die auf dem Jahrmarkt gelernt hatte, die Karten für allerlei leichtgläubiges Volk zu legen. Sie war der Ansicht, dass die Worte der Macht Überreste eines grösseren, komplexeren und heute weitgehend vergessenen Systems seien und ihre ganze Macht nur dadurch entfalten, dass sie vom Anwender damit versehen werden.
Sie liess mich über die Worte der Macht nachdenken und meditieren, ihre Bedeutung visualisieren und verinnerlichen, alles im Dienste einer Prägung der eigenen Gedanken in Richtung eines präzisen Ziels, abrufbar, konzentriert, ja kondensiert auf ein einziges repräsentierendes Wort hin.

Mein zweiter Lehrmeister, Arngrimm Jerwalson, brachte mir eine nahezu konträre Sichtweise nahe: Seiner Meinung nach wären die Worte der Macht Schalter, die unabhängig von Wissen oder Absicht auf eine Berührung reagieren. Selbst die viel beschworene Absicht, die als unerlässlich angesehen wird um einen Zauber dann auch tatsächlich wirken zu können, ließe sich nach Jerwalson als passendes Muster in einem grösseren System magischer Lauscher begreifen.

Ich habe mit beiden Erklärungen eine lange Zeit gehadert, in erster Linie wegen meiner profunden Schwierigkeiten das reine Buchwissen dann auch tatsächlich in magisches Wirken umzusetzen. Das ist etwas, womit ich auch heute noch mit meine Schwierigkeiten habe.

Letztlich, auch wenn ich Fortschritte machte, kehrte ich immer wieder zu diesen Grundlagen zurück, zu der vermeintlichen Unvereinbarkeit von zwei Thesen, deren Überschneidung sich allein in einem so theoretischen Konstrukt finden lässt, dass es mehr als unplausibel wird.

Nachdem ich aus erster Hand erfuhr, dass es in der Tat verschiedene Dialekte der Worte der Macht gibt, gebraucht von verschiedenen Völkern oder Volksgruppen, durchaus aber auch bei Einzelpersonen abweichend bekannt und benutzt, erwachte meine schlafende Neugier erneut und damit der Wunsch die Probe aufs Exempel zu machen: Ich würde versuchen durch sorgsame und kontrollierte Übung zu ergründen, welcher Wahrheit sich die Worte der Macht am Ehesten zuneigen würden.

Ich würde einen neuen Dialekt erlernen.

Ich würde - zuvor - einen neuen Dialekt erschaffen.

Die Notwendigkeit für diesen hier an zweiter Stelle genannten, eigentlich aber ersten Schritt, liegt auf der Hand: Nur auf diese Weise lässt sich ausschliessen, dass es tatsächlich bereits irgendwie etablierte Schalter oder anderweitig vorhandene Prägungen gibt, die den Gedanken unverdient in die Wirklichkeit holen würden.

Quintussenz-Idiom

Der erste Schritt war also die Erschaffung eines eigenen Dialekt, dem ich den Namen "Quintussenz-Idiom" verlieh. Ein kleines Wortspiel in der Verbindung von Quintessenz - das Wichtigste oder der Hauptgedanke - mit dem Namen meines aktuellen Lehrmeisters Livius Quintus.

Mein Ziel war die Erschaffung eines geordneten, möglichst symmetrischen Systems, das klar ableitbaren Regeln im Aufbau folgte - damit eine Systematik inkorporierend, die sich in dieser Form in keinen der bekannten Dialekte wiederfindet.

Regeln

Diese Regeln sind wie folgt:

  • Jedes Wort der Macht bildet mit genau einem anderen Wort der Macht ein Gegensatzpaar.
  • Jedes Wort der Macht beginnt mit einem eigenen Buchstaben, ganz wie bei den klassischen Worten auch
  • Jedes Wort der Macht endet - symmetrisch - mit dem Buchstaben, der passend vom Ende des Alphabets her aufsteigt.
  • Gegensatzpaare haben gespiegelte Buchstaben: Aus ABC folgt CBA
  • Worte der Macht werden wie folgt geordnet:
    • Immer vom Zustand der höchsten Negentropie hin zur schwächsten Negentropie
    • Zunächst die Invokatoren, dann die Modifikatoren, zuletzt die Reihe der Aspekte
  • Invokatoren haben 2 Buchstaben, Modifikatoren deren 3 und Aspekte 4 (oder 5 sofern notwendig)
  • Der zweite Buchstabe der Modifikatoren und Aspekte sind Vokale in aufsteigender Reihenfolge. Am Ende einer Reihe erfolgt ein Übersprung zum Anfang (O -> A)
  • Der zweitletzte Buchstabe der Aspekte ist ein Buchstabe in absteigender Reihenfolge.
    • Falls das sich ergebende Wort unaussprechlich wird, wird stattdessen zum nächsten Vokal (absteigend) gesprungen
    • Es kann dann aus äthethischen Gründen ein und ein Mittelbuchstabe an dritter Stelle eingeschoben werden und zwar jener, der zunächst an vorletzter Stelle hätte stehen sollen
    • Der Mittelbuchstabe folgt dem Alphabet in aufsteigender Reihenfolge, es sind nur Konsonenten erlaubt
    • Fortgesetzt wird immer vom letzten Buchstaben aus, der im Wort darüber gewählt wurde

Bildung von Gegensatzpaaren

Für die Bildung der Gegensatzpaare habe ich mich lose an Jerwalsons enigmatischem Dualismus orientiert. Das Grundprinzip, dem ich auch hier folgte, war die grundsätzliche Aufteilung in entropische und negentropische Wirkungen: Also solche, die entweder Energie sammeln/ordnen, oder diese stattdessen verteilen und zerstreuen.

Paare bedeuten hier nicht zwingend das exakte Gegenteil, sondern beziehen sich in erster Linie eben auf genau diese Eigenheit im Vergleich zueinander bei einer ansonsten möglichen gemeinsamen Basis.

Nicht in allen Fällen ist das wirklich eindeutig machbar oder es erfordert einiges an geistiger Flexibilität, um die passenden Aspekte zu betonen und unpassende Anteile stattdessen zu ignorieren. Das ist ein Makel, der mir durchaus bewusst ist, allerdings auch ohne Bedeutung für die eigentliche Aufgabe bleibt: Das Idiom ist - vermutlich - als solches ohnehin nicht mehr als eine Ansammlung von Lauten, die geistige Gymnastik für die Herleitung unbedeutend, solange die Grundbedeutung dabei nicht verloren geht.

Es gilt dabei unverbrüchlich: Es gibt nur 26 Worte der Macht, auch wenn sie in Dialekten beliebig umgeformt werden, bleibt ihre Wirkung doch gleich. Ihr Kern ändert sich nicht, ganz gleich wie die auferlegte Form auch aussehen mag.

IN (Erschaffen/Verursachen)
KAL (Beschwören/Binden)
DES (Senken)
BET (Klein)
SANCT (Schutz)
ORT (Magie)
ZAN (Schlaf)
GRAV (Energie)
MANI (Heilung/Leben)
YLEM (Erde/Materie)
WIS (Geist/Wissen)
CORP (Tod)
LOR (Licht)
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AN (Auflösen/Negieren)
EX (Freiheit/Lösen)
UUS (Steigern/Erhöhen)
VAS (Gross)
JUX (Falle/Schaden)
TYM (Zeit)
REL (Verändern)
FLAM (Feuer)
NOX (Gift)
HUR (Luft/Wind)
XEN (Wesen/Kreatur)
POR (Bewegung)
QUAS (Illusion)

Konvertierung durch Regelanwendung

Die Konvertierung erfolgt schlicht durch Anwendung der oben beschriebenen Regeln.


Ein paar Beispiele:

  • Aus "IN" wird "AZ": Zwei Buchstaben, Symmetrisch. Entsprechend muss "AN" zu "ZA" werden
  • Aus "DES" wird "CAX": Drei Buchstaben, Symmetrisch (C <-> X), der mittlere Buchstabe ist ein Vokal (A). Entsprechend muss "UUS" zu "XAC" werden
  • Aus "ZAN" wird "GEYT" Zunächst G__T für die Symmetrie, aufgefüllt E und Y, was GEYT ergibt und TYEG.
  • Aus "LOR" wird MIKN, es findet eine Konvertierung zum Vokal statt zu MIEN, eingeschoben wieder das K: MIKEN <-> NEKIM

Es ergibt sich folgende Liste mit Konvertierungsschritten:

->                 AZ -    ZA (IN - AN)
->                 BY -    YB (KAL - EX)
->                CAX -   XAC (DES - UUS)
->                DEW -   WED (BET - VAS)
->                EIV -   VIE (SANCT - JUX)
->               FAZU -  UZAF (ORT - TYM)
->               GEYT -  TYEG (ZAN - POR)
HIXS ->          HIUS -  SUIH (GRAV - FLAM)
IJTS ->          IJOR -  ROJI (MANI - NOX)
JONQ -> JOIQ -> JONIQ - QINOJ (YLEM - HUR)
KAMP -> KAEP -> KAMEP - PEMAK (WIS - XEN)
->               LELO -  OLEL (CORP - REL)
MIKN -> MIEN -> MIKEN - NEKIM (LOR - QUAS)

Symbolerschaffung

Die traditionellen Worte der Macht besitzen jeweils Runen als Kurzschrift. Ein eigener Dialekt wäre natürlich nicht vollständig ohne ebenso eine Symbolik zur klaren Repräsentation.

Die von mir erdachten Symbole folgen natürlich ebenso einer begrenzten Systematik, allerdings ohne durch gehenden Anspruch einer vollständigen Herleitbarkeit: Eine gewisse Ästhetik steht hier mehr im Vordergrund.

Es bleibt dennoch als Grundprämisse bestehen, dass gegensätzliche Worte dann auch gegensätzliche/invertierte Symbole haben.

Die Symbole finden sich letztlich als Ergänzung bei der finalisierten Liste.

Finalisierte Liste

AZ (In)
ZA (An)
BY (Kal)
YB (Ex)
XAC (Uus)
CAX (Des)
EIV (Sanct)
VIE (Jux)
WED (Vas)

 

DEW (Bet)
FAZU (Ort)
UZAF (Tym)
GEYT (Zan)
TYEG (Por)
HIUS (Grav)
SIUH (Flam)
IJOR (Mani)
ROJI (Nox)
KAMEP (Wis)
PEMAK (Xen)
LELO (Corp)
OLEL (Rel)
MIKEN (Lor)
NEKIM (Quas)
JONIQ (Ylem)
QINOJ (Hur)

Lerntechnik

Eine Definition allein erschafft noch keinen Eindruck in der Welt - zumindest nicht in einem meßbaren Maße. Das bedeutet: Es ist unmöglich das Quintussenz-Idiom zum Zaubern zu verwenden ohne dafür gewisse weitere Vorarbeiten zu leisten und selbst das pflichtbewusste Erbringen dieser Pflichten bedeutet nicht zwingend einen Erfolg.

Das ist der experimentelle Teil: Das Scheitern kann vielfache Gründe haben: Persönlicher Mangel an Eignung, Ausdauer und Engagement fallen zunächst ein, aber es ist auch denkbar, dass die Versuche schlicht an den Grenzen des Systems selbst enden: Wenn es nicht funktioniert, dann funktioniert es nicht, ganz gleich wie hübsch das Papier auf dem die Buchstaben hinterlassen wurden.

Ein Erfolg würde dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine der Grundfragen zur Funktionsweise der Worte der Macht klären. Auch hier gibt es allerdings keine vollständige Gewissheit, solange es nicht möglich ist rein mechanische Magie zu wirken ohne die prägende Kraft einer Seele im Hintergrund.

Ungeachtet dieser Einschränkungen sieht mein Plan einen faktischen Rückschritt zu den ersten Lektionen dar, die ich vor Jahren in Rossensprung erhielt: Meditation über den Worten der Macht, Verinnerlichung ihrer präzisen Wirkung, Konzentration auf ihre zusammengefasste Bedeutung und Bindung all dessen an neue Worte der Macht.

Das ist eine offensichtliche Erschütterung des ganzen Fundaments auf dem mein magisches Wirken ruht und es ist nicht auszuschliessen, dass sich entsprechend negative Folgen zeigen.
Im Augenblick bin ich gewillt dieses Risiko einzugehen, natürlich stetig mit der Bereitschaft den aktuellen Standpunkt jederzeit neu zu evaluieren. Aber letztlich: Auch ein Vogel lernt das Fliegen nicht allein durchs Zuschauen. Irgendwann ist es Zeit die Flügel auszubreiten und alles zu wagen.

Kommentare und Ergänzungen

Bislang haben meine Mühen noch keinen Erfolg gezeigt, aber ich habe, um ehrlich zu sein, auch kaum etwas anderes erwartet: Meine ersten Versuche unter der Aufsicht und Anweisung Myras waren bereits langwierig und frustrierend und ohne ihren fortgesetzten, unerschütterlichen Glauben an meine Gabe, hätte ich lange vor dem ersten Wirken aufgegeben. Es ist eine feine Ironie, dass ich mit dem Wissen von Heute feststellen kann, dass diese ganze Zuversicht fehlgeleitet war, nicht mehr als Aberglaube. Einerlei. Ich setze meine Übungen fort wie gehabt, konzentriert auf die beiden Worte, mit denen ich auch damals meinen ersten Erfolg hatte: AZ MIKEN (IN LOR).


Meine Fortschritte waren bislang gleich Null. Das sollte mich nicht frustrieren - die Möglichkeit, dass selbst entworfene Dialekte schlicht nicht funktionieren können, war ja durchaus Teil der ursprünglichen Überlegungen. Und dennoch kann ich den Gedanken nicht abschütteln, dass das Problem nicht beim Quintussenz-Idiom liegt, sondern bei mir.

Das wäre nicht das erste Mal.

Ich kann aber nicht umhin mich zu fragen, ob meine Gefährten und Freunde nicht sehr viel weniger Schwierigkeiten hätten. Das sollte mich anspornen meine Forschung mit ihnen zu teilen und sie zu ermuntern. Sollte.

Ich starre auf meine Notizen und stelle fest, dass ich es nicht über mich bringe: Die Vorstellung, dass sie dann mit einem Lächeln Erfolg hätten, wo ich hartnäckig scheitere, ist mir unerträglich.


Ich gebe mir noch einen weiteren Monat, bevor ich meine Niederlage eingestehen und zu Livius kriechen werde, um ihm meinem Fehlschlag einzugestehen. Der nächste logische Schritt wäre dann die Suche nach einem jungen Erwachten, der noch keinen Kontakt mit den herkömmlichen Worten der Macht hatte. Ein Fehlschlag auch dann würde zumindest meine Frage danach beantworten, ob das Problem bei mir oder beim System liegt. Solange mühe ich mich weiter, folge dem Pfad lange schon eingeschliffener Übungen und schlucke die tägliche Enttäuschung herunter. Alles wie immer also.


Ich habe meine Kapitulation so weit aufgeschoben wir nur möglich, ohne meiner eigenen Vorlage untreu zu werden. Letztlich muss ich feststellen, dass all meine Bemühungen das Quintussenz-Idiom in irgendeiner Form nutzbar zu machen, gescheitert sind. Das sollte mich nicht frustrieren, ein Ergebnis in diese Richtung war von Anfang möglich.

Dennoch komme ich nicht umhin diesen Fehlschlag als ein persönliches Scheitern zu betrachten, als einen Makel, der sich andernorts, mit einer anderen Person, nicht in gleicher Weise präsentiert hätte.

Nüchtern betrachtet, ohne das bittere Gefühl von Unzulänglichkeit, sehe ich damit ausgerechnet die obskureren Annahmen zur Funktionsweise der Worte der Macht bestätigt.