Worte der Macht
Alle mir bekannten Worte der Macht.
Ursprung
Myra, die generell wenig Interesse an Theorie hatte, erklärte immer nur knapp, dass die Worte der Macht Ableitungen aus einem älteren, möglicherweise komplexeren System seien und ihre Macht nur dadurch entfalten, dass sie vom Anwender damit versehen werden. Sie ließ mich über jedes einzelne der Worte nachdenken und meditieren, den Sinn greifen und visualisieren, um all das letztlich konzentriert mit einem Auslöser - eben dem Wort der Macht - zu verknüpfen. Prägung, so nannte sie es.
Als ich Jerwalson davon berichtete, durfte ich mir eine ganze Weile höhnisch ins Gesicht lachen lassen. Er erläuterte mir später seine Theorie im Detail:
Die Worte der Macht sind in ein grösseres magisches System integrierte Schalter, die unabhängig von Wissen oder auch Absicht auf eine Berührung reagieren, sofern der Anwender die richtige Grundprägung besitzt. Mir ist unklar, warum es diese Differenzierung braucht. Das klingt als gäbe es verschiedene Worte der Macht, aber soweit mir derzeit bekannt, existieren eben nur diese 26 verschiedenen Worte.
Nach Jerwalsons These der Theurgie, sind Magier letztlich einfach die Anbeter einer grösseren Macht im Hintergrund, die sich durch ritualisierte und modularisierte Gebete (Worte der Macht -> Zauber) ausdrücken und dafür Opfergaben (Reagenzien) bringen. Er war sehr ernsthaft in seinen dahingehenden Ausführungen (und sehr betrunken), dennoch fühle ich mich verschaukelt, wann immer ich daran zurückdenke. Es ist einfach schwierig zu widersprechen, wenn man selbst zu wenig weiss, um echte Gegenargumente bringen zu können.
Die Vorstellung, dass es vielleicht wirklich etwas gibt, etwas, das die Regeln ändern kann, etwas, das vielleicht dafür sorgt, dass bestimmte Zauber funktionieren und andere nicht, empfinde ich als höchst furchteinflößend.- Fel Maris, Fünftmond 450
Diese Varianz ist allerdings enttäuschend zahm: Abgesehen davon, dass es eben andere Silben gibt, die sträflich das klare, übersichtliche System der alphabetischen Sortierung vermissen lassen, gibt es keine Abwandlungen, keine neuen Worte, keine Umformungen.
Es erscheint mir offensichtlich, dass all diese Sprachen letztlich auf minderem Selbstbewusstsein basierende Kopien des ursprünglichen Systems sind, evident im Fehlen genau der präzisen Ordnung und Eindeutigkeit bei gleichbleibender Wirkung.
Eitelkeit ist, wie sich einmal mehr zeigt, nicht nur eine menschliche Eigenheit.
Davon abgesehen zeigte mir diese Erkennis aber auch, dass die Wirklichkeit sich entweder mehr in Richtung der Ansicht Myras neigt, oder dass es möglich ist neue Aspekte in ein eigentlich starres System einzuprägen. Die Tatsache, dass es möglich ist sich einen fremden "Dialekt" anzueignen, bedeutet, dass es keine Form der Bindung gibt, wie es für die Pfadreagenzien der Fall ist.
Sollte ich einmal zuviel Zeit haben, würde ich tatsächlich versuchen mir selbst eine Variante auszudenken, einfach um zu schauen, ob die Welt mir damit Recht gibt oder nicht.- Fel Maris, Zwölfmond 450
Das ist, trotz der Enttäuschung über den Fehlschlag, das interessantere, ehrlich gesagt auch unerwartete Ergebnis: Wodurch unterscheiden sich diese Kopien des exakt Gleichen von meiner eigens formulierten Kopie? Gibt es eine Entität, die tatsächlich rein mechanische Auslöser hat, die irgendwann eingeprägt wurden? Ermöglicht etwas wie ein weitgehender Konsens neue Worte der Macht zu bestehenden Auslösern hinzuzufügen? Wenn ja: Wie kann dieser Konsens jemals zustandekommen, da hier der Glaube vor der Wirkung erscheinen müsste?
Ich beginne mich zu fragen, ob nicht die Ansichten meiner ersten Lehrmeisterin mehr Merit haben, als ich in all den Jahren annahm. Vielleicht gibt es keine Logik, kein System. Nur Momentum und Glaube, verankert in der fundamentalen Möglichkeit einer kognitiven Ebene.- Fel Maris, Siebtmond 451